Texte
Zwei Farben
Ein warmer Sommerabend in Amsterdam.
Vor mir das schwarze Guinness
im perligen Glas mit dreckigweisser Krone,
wie die blauschwarze Nacht mit dem
gelbweissen Mond obendrauf.
Bitte sehr!
Ein Tisch direkt an der Gracht.
Mein weisser Arm liegt entspannt
auf der dunklen Mauer.
Unter mir das schwarztintige Wasser
auf dem sich Boote und Häuser spiegeln
wie auf Vinylplatten,
mit verzerrtweisser Wiedergabe der
Lichter ringsum.
Ich blende die bunte Moderne aus und
sehe Kutschen aus funkelndem schwarzem
Klavierlack mit samtweissen Pferden.
Van Gogh, wie er früh morgens um fünf
die grauschwarzen Arbeiter am Hafen
studiert mit ihren Handkarren und einfachen
verblichen-weissgrauen Hemden.
Wie ihm an der Oude Kerk Nonnen in
klassisch schwarzweisser Tracht entgegenkommen
auf dem Weg zum Morgengebet.
Ich sehe das blassschwarze schrundige
abgenutzte Pflaster mit nebelweissem feuchtem
matt schimmerndem Licht im Morgengrauen.
Kohlenhändler mit ehrlichschwarzen schwieligen
Arbeiterhänden und Klompen aus
schmutzigweisser Pappel.
Gegenüber steht schief aber lässig ein schmales
zierliches Haus mit mattschwarzer Front
und mehlweissen Giebelornamenten.
Sieht aus wie die Haube einer schwarzhaarigen
Magd.
Ich bräuchte einen tiefschwarzen Crayon
und Blätter in Schaumolweiss,
um das alles festzuhalten.
Doch leider kann ich nicht zeichnen,
so bleibt mir aber dieser
Schwarzweissfilm in meinem Kopf,
dieses Gedicht
und ein weiteres
Guinness!
7 Milliarden Kreisläufe
Ich schaue
aus diesen Augen,
während die Nacht
den Atem anhält.
Ihre Schwärze
kriecht lautlos
zwischen Grashalme
und Mauerritzen.
Es ist still,
nur die Zeit rauscht
in meinen Ohren.
Immer schaue ich
aus diesen Augen
in ein Zimmer,
immer gemietet,
nichts von Wert.
Fast immer bin ich
allein,
das ist das Gute!
Das zur gleichen Zeit
ein Fischer in die
Morgendämmerung
ausfährt
auf Sumatra
oder einer
seine Garküche
vorbereitet
in Jakarta,
diese Vorstellung
fasziniert
und tröstet mich.
Doch
im Hinterkopf
immer
das Konto
und nie
ein großer Entwurf.
Wozu auch?
Ein weites Tal
Ich habe die Ehrfurcht verloren
vor großen Werken,
habe die Ehrfurcht verloren
vor der Kunst,
vor Theorie und hünenhaftem Ernst.
Ich habe die Ehrfurcht verloren
vor der Menscheit,
vor den Göttern
und der Antike.
Behalten will ich mir
das Wundern,
naive Begeisterung
für einfache Dinge.
Flexibel und kraftvoll sein wie ein Fluss,
einige Menschen stehen in der Landschaft,
warum nicht -
doch Massen muss man fernbleiben,
immer!
Ein weites Tal ist das Maß für
meine Größe
und vom Berg lerne ich
zu schweigen!
Eine Juninacht.
Und X.
Bett unterm Fenster,
die Augen zu und
das Fenster weit auf.
Diese Küüühle!
Diese lebendige vollmundige Frische,
die von den Sternen kommt...
Die Augen auf und
ich sehe sie,
die gelbweissen Lichter.
Köln
nur ein Wort
eine Mode
ein flüchtiger Moment.
Atmen!
Mein Brustkorb hebt sich,
dann mein Bauch.
Ich liege hier,
ein unwissender Narr,
der durch's All rast.
Ewig
ist nichts,
nicht mal die Sonne!
Licht an Licht
durch die Dunkelheit.
Moment an Moment
an
Moment
und
X.
Ensor est un fou
Irgendwas stimmt mit dem Jungen nicht!
Kein Ehrgeiz,
kein Ziel vor Augen,
30 Jahre ist das nun her,
immer diese falschen Ansprüche.
Hat es sich gelohnt?
Ich weiß es nicht.
Doch anders ging es nicht!
45 in ein paar Tagen,
immer noch keine Karriere im Blick
und warum verstellt sich jeder?
Die Ehrlichkeit wird verzerrt durch
Eitelkeiten, Stolz und Angst.
Wer liest schon Gedichte?
Rein wirtschaftlich eine Lachnummer.
Schaut euch die Bäume an,
all diese Blätter könnten Werbeflächen sein.
Alles, was nicht lohnt – weg!
Weg damit!
Die Kunst?
Kunst ist nur ein weiteres Haifischbecken.
Die wahren Irren werden posthum
geehrt
oder berühmt
oder was auch immer.
Und die Oberfläche siegt sogar hier.
Ensor est un fou
...und Heymann sowieso!
Kornblumen
Die Herbstsonne steht tief,
macht einen letzten phantastischen
Klimmzug am brennenden Horizont.
Gelbgoldener Roggen
der sich entspannt in ein weiches
Lüftchen legt.
Prächtige Ähren wie rotblonde Zöpfe
an deren Ende borstige, lange,
braunrote Grannen stecken.
Versprenkelt am Rand stehend schießen
Kornblumen ihre intensiven Miloripfeile
in mein Blickfeld.
Schrill wie kleine stahlblaue Tannennadeln,
so sticht das protzende Berliner Blau der Blüten
in meine tränenden Augen.
Für einen Moment verschwimmt alles zu
einer Liaison aus Rotgold und
Pariser Blau.
Ich bin süchtig nach Licht,
betrunken von den Farben.
Mein lieber Vincent,
ich versteh' Dich immer mehr.
Mein Herz auf der Herdplatte
Dieses Leben...
wie eine mündliche Überlieferung.
Eine Kopie einer Kopie
einer Zeit,
dahinleben
zwischen Pressspan
und Plastik.
Trugbilder,
ich liebe die Schatten
der Blumen,
ein Vorbeileben
zwischen A Strich und Unendlichkeit.
Van Gogh's Ohr,
mein Herz auf
der Herdplatte.
Wenigstens der Schmerz
ist mir
und vor allem
wahr!
Mir geht es gut
Manchmal hab‘ ich
in runtergerockten Sakkos
wohlgearbeitete Flachmänner drin
Deren Inhalt hilft über die Risse
hinweg
im Herz
im Kopf
in der Seele
meistens die ausgefransten
Risse der Seele
Ich sitze auf Familienfeiern
auf Firmenfeiern
sogar mit Freunden
zusammen
und lüge
lüge was das Zeug hält
„Mir geht es gut!“
Natürlich…
